Texte von Teilnehmer:innen
Texte aus Schreibkursen, hier: Wochenende Kreatives Schreiben
Wir danken den Autor:innen für die Genehmigung zum Abdruck der Werkstatt-Texte.
Alle Teilnehmer:innen haben zu den gleichen Inputs geschrieben, Sie können als sehen, wie unterschiedlich die Ergebnisse ausfallen. Literatur drückt die Persönlichkeit aus – und macht deshalb einen solchen Kurs zu einem Erlebnis für alle Beteiligten.
Sie lesen Texte von Silke Engel-Boëton, Ferenc Liebig, Joachim Osterkamp und Eva Schmidtke. Bitte scrollen Sie.
Silke Engel-Boëton
lebt in Lausanne und in Berlin
kommt aus Hamburg, war/ist als Sprachlehererin tätig und schreibt: Auf Zetteln und als Tagebuchnotizen verbindet sie kurz wahrgenommene Augenblicke mit tieferen Einsichten. Oder sie schreibt ins Absurde gehende Kurzgeschichten oder Gedichte.
Weiche Nadeln mit Kiel, ein Schreibwerkzeug; ich möchte eine Schreibfeder machen. Womit schrieben die Mönche? Da war doch Avranches, das Scriptorium des Mont-Saint-Michel, schon wieder das Scriptorium in Avranches – ein Schritt zurück in die Kindheit von Thomas, als Erstgeborener zu früh ohne Mutter geblieben, hochsensibel und unverstanden. Mit 16 gewann er im Schreibwettbewerb seiner Stadt eine Reise nach Rom. Ein Befreiungsschlag.
Ich klopfe an seine Tür, verhalten, denn er sitzt gebeugt und schreibt. Ein alter Mann.
Ferenc Liebig
lebt in Potsdam
Ich habe Zahlen gefunden.
Ich habe die Zahlen nicht sortiert.
Das hat die Frau mit den grauen Haaren übernommen,
die ihre Weste bis obenhin geschlossen hielt.
Es ist kalt draußen, auch wenn die Sonne scheint.
Es waren zwölf gelbe Blätter, drei rote und fünf
noch an den Rändern grüne. 12, 3, 5.
Zusammengeharkt wurden sie von der Frau
der Schubkarre übergeben.
Eins davon landete in meiner Hand.
Frag mich nicht wie.
Ich konnte es zwischen meinen Fingern drehen,
die Oberfläche befühlen.
Es war feucht, sandig und obwohl es schon
länger am Boden gelegen hatte, fest, glatt,
noch nicht im Zustand der Verwesung.
Ich habe Zahlen gefunden. 12, 3, 5.
Nichts beschreibt besser meine Suche
nach Stabilität.
Joachim Osterkamp
lebt in Kiel
Ehemals Kaufmann für Versicherungen. Im Hobby spielt er gerne Theater auf einer Laienbühne, hat auch schon einige Theaterstücke erfolgreich einstudiert. Gerne geben seine Ehefrau und er Musikkonzerte, verbunden mit Lesungen unterschiedlicher Autoren, auch selbstverfasste Geschichten, von nachdenklich bis heiter.
In einem Krankenhaus bin ich vor einigen Jahrzehnten geboren worden und ich muss feststellen, dass ich mich dabei sehr unwohl fühlte. Drei Personen erfüllten den Raum mit ihrer Anwesenheit. Der Arzt, den ich sehr unhöflich fand, hat mich nicht einmal begrüßt, sondern an den Füßen gepackt und mir eine auf den Hintern geklastert. Dafür sollte ich ihn heute noch verklagen. Natürlich meine Mama, die schweißgebadet im Bett lag und auch nicht viel sagte, und zu guter Letzt noch die Hebamme, die war sehr lieb. Die hat mich sofort in warme Deckchen gewickelt und geherzt.
Mein Papa kam später dazu; auch er sagte mir nicht gut zu. Sah sich nur meinen Kopf an und fragte: „Der Quadratschädel… Bleibt das so? Bei Joachim war das ganz anders.“ Als der geboren wurde, durfte der sofort zelten.
Eva Schmidtke
lebt in Münster
Studiendirektorin für die Bereiche Sprache, Literatur und kreatives Schreiben. Sie leitet Schreibwerkstätten, Literaturkurse und führt Buchprojekte und Lesungen durch.
Der Pilz
Was bist Du zart, kleiner Pilz! Beinahe durchscheinend, wenn die Spitze deiner Kappe sich nicht in einem ganz hellen Braun zeigte. Dein Stiel ist so dünn, dass ich besorgt bin, du könntest deinen Schirm nicht tragen. Deinen Namen kenne ich nicht. Ob du essbar bist, ist nicht wichtig. Du bist viel zu zart und verletzlich um gegessen zu werden. Wo kommst du her, und wie konntest du Wind und Wetter trotzen?