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Erotisch schreiben

Beitrag zum erotischen Schreiben – von Franziska Hauser: Das Geheimnis der friedlichen Mütter

Massage geschenkt: Im Prenzlauer Berg sehen alle Menschen gut aus

Eine Massage kann unterschiedliche Reaktionen auslösen. Wie das ist bei einem Geschenkgutschein, beschreibt der Beitrag von Franziska Hauser: So kann erotisches Schreiben aussehen.

Ich bin alleine in dem abgedunkelten Raum mit dem großen Bett, der Massageliege und den beiden Wasserbecken. Er hat im Rausgehen gesagt, dass ich mich auf den Bauch legen soll. Aber ich stehe unschlüssig herum, weil ich nicht weiß, wo das Kopf- und wo das Fußende ist. Hat er überhaupt gesagt, dass ich mich auf die Liege legen soll? Oder auf das große Bett mit den vielen kleinen Kissen? Ich bin zur Wellnessmassage hier.

Der Gutschein ist fast ein Jahr alt. Ich habe ihn beim Aufräumen gefunden, unter dem Stapel der zu erledigenden Dinge. Die Massage will ich jetzt erledigen, obwohl ich keine nötig habe. Ich bin ganz entspannt. Im Tanga sitze ich auf der Liege und ziehe die Beine hoch. Warum werde ich überhaupt von einem Mann massiert? Es sind doch gerade zwei Frauen in der Lobby gewesen. Beide, modelmäßig schön, sind mit gutaussehenden männlichen Kunden hinter Türen verschwunden. Im Prenzlauer Berg sehen alle Menschen gut aus. Ich wohne nur ein paar Häuser weiter und jedes Mal, wenn ich an dem Wellnessstudio vorbei fahre, habe ich das Gefühl, hier gehören nur die Business Menschen rein, unter denen ich lebe. Vor ein paar Jahren gab es auch arme, alte und hässliche Menschen auf diesen Straßen. Die sind weg jetzt und die Neuen sind mir suspekt in ihrer lässig kultivierten Lebensart. Ich will nicht zu ihnen gehören und den Gutschein hatte ich deshalb so lange liegen gelassen.

Mein Masseur sieht auch gut aus

Mein Masseur sieht auch gut aus. Er kommt rein und ich sage schnell: „Ich weiß gar nicht, wie rum eigentlich.“ Er macht mit dem Zeigefinger eine lässige Kreisbewegung und zeigt auf das Kopfende. Ich drehe mich fügsam, lege mich auf den Bauch und streiche meine Haare aus dem Nacken. Er gießt mir warmes Öl über den Rücken und fragt, ob ich irgendwelche Verspannungen hätte. Nein, sage ich und überlege, ob er sich jetzt fragt, warum ich eigentlich hier bin. Vielleicht hätte ich mir eine Verspannung ausdenken sollen. Mein Nein scheint für ihn zu bedeuten, dass ich überall massiert werden will. Ich komme nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, als er einen erheblichen Teil meines Pos in die Massage einbezieht. Meine Muskeln geben gleich jede Funktion ganz auf. Ich ergebe mich der angenehmen Willenlosigkeit, als würden mir seine Hände die Gedanken aus dem Kopf ziehen. „Streichelmassage“, denke ich, als er seine Finger in mein Dekolletee schiebt. Ich überlege, ob ihm das Ausmaß meiner Ergebenheit eigentlich klar ist, und hoffe, dass es ihm eigentlich nicht klar ist. Er fängt an, mein Becken zu drehen, und massiert tief unter meinen Bauch. „Leg dich mal auf den Rücken“, sagt er und deckt mich beim Umdrehen routiniert zu. Er fährt mit einer Hand unter die Decke bis zum Solarplexus. Dann nur mit einem Finger auf der Linie hinab zu meinem Bauchnabel. Ich finde, dass das jetzt schon mehr ist als nur eine Massage. Das ist doch nicht mehr Wellness. Wahrscheinlich bin ich irgendwie verklemmt.

Mir fällt eine Massage am Meer ein

Mir fällt eine Massage am Meer ein, die ich vor fünfzehn Jahren in einem Urlaub geschenkt bekommen hatte. Ein orientalisches Zelt war unter Palmen aufgebaut. Der Masseur sah gut aus und war mir angenehm. Im Zelt war es nicht zu heiß, das Öl roch nach Blüten, das Licht war blau und am Strand spielte man Reggae. Es hätte perfekt sein können und ich verstand nicht, warum es das nicht war. Mein Verstand wollte sich wohlfühlen, aber mein Körper fühlte sich fremd. Ich konnte meine Muskeln nicht loslassen unter den schwarzen Händen. Er sagte „turn around“. Ich schüttelte den Kopf und ging. Ich war Mitte zwanzig und empfand nichts Sinnliches dabei.

Jetzt ist das anders. Es braucht nur jemand mein Knie zu streicheln, dann fängt mein Gehirn schon an, die vernünftigen Bereiche auszuschalten. Den Massagehänden scheint das bekannt zu sein.

Ich überlege, wer mir den Gutschein geschenkt hat. Es war eine Schauspielerin, die immer so viel arbeitet, dass sie keine Zeit hat für eine Beziehung. Sie sei glücklich ohne, hatte sie gesagt und das hatte mich gewundert. Jetzt wundert es mich nicht mehr. Sie lässt sich offenbar lieber massieren. Und im Gegensatz zu mir muss sie dabei nicht an ihren Mann denken, der nicht wissen sollte, wie hier mit Frauenkörpern umgegangen wird. Der Masseur schiebt die Decke über meinem Bauch zur Seite und ich denke unwillkürlich an meine Schwangerschaftsstreifen. Vielleicht schätzt er ja das Alter der Kundinnen gewohnheitsmäßig an den Bäuchen ab, denke ich. Dass Mütter besonders dankbare, manchmal ausgehungerte Wohlfühlpatienten sind, hat er sicher schon herausgefunden. Und wie sich die Frauen regelmäßig auf seine Liege holen lassen, auch.

Arrogante Fingerspitzen

Die Genauigkeit seiner Fingerspitzen ist arrogant. Er scheint es gewohnt, auf bedingungslose Zustimmung zu stoßen. Mit einem Finger fährt er von meinem Hals hinab, ganz langsam in der Mitte über meinen Brustkorb, meinen Bauch, Bauchnabel, immer langsamer und stoppt erst im letzten Moment, indem er den Finger noch ein Paar Millimeter unter den Tangarand schiebt. Mein Atem wird kurz und schnell. Sanft drückt er den Finger in mein Fleisch und zieht ihn wieder hinauf. Ein Glück! Er zieht den geöffneten Reißverschluss wieder zu. Am Hals angekommen, schlucke ich und atme wieder normal.

Als ich rotierende Sonnenblumen sehe, ist die Zeit um. Ein bisschen nachruhen soll ich, sagt er. Unter der weichen Decke spüre ich noch eine Weile die warmen öligen Hände auf meiner Haut, wie man im Konzert den Nachhall hört. Ich atme einmal tief, setze mich hin und bin in einem benebelten Schwebezustand.

In der Lobby bedanke ich mich bei dem Mann mit den arroganten Händen und taumle auf die Straße. Ich lächele meinen Mann an, dem ich vor unserer Haustür begegne. „Was is’ denn mit dir passiert?“, fragt er. Ich erzähle ihm grinsend, was der Masseur mit mir gemacht hat. Er verbucht es tolerant unter Alltagserotik.

Wir gehen in ein Café, setzen uns zwischen die Menschen, deren friedliche Selbstzufriedenheit mich hier immer so anwidert.

Mir wird klar, dass es hier andersherum ist als am Südseestrand vor Jahren. Mein Körper ist hier zuhause, während mein Kopf es nicht sein will. Ich gehöre dazu. Schon lange.

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Foto von Lily Banse /Unsplash

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Hanne Landbeck

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