
Von der Idee zum Roman: “Das Elternhaus” von Iris Otto
Der Blick aus dem Fenster als Blick in den neuen Roman
Jede Geschichte beginnt mit einer Idee. Aber wie findet man die richtige? Und noch wichtiger: Wie erkennt man, ob sie das Potenzial hat, eine mitreißende Erzählung zu werden?
Von der Idee zum Roman
Iris Otto schaute aus dem Fenster und sah einen Bagger, der sich an einem Einfamilienhaus zu schaffen machte. Sofort begann ihre Fantasie, an der Geschichte des Hauses zu arbeiten. Sie stellte sich vor, wann es erbaut wurde, von wem – und welche Dramen sich darin abgespielt haben könnten. Iris Otto ließ die Idee nicht mehr los, unterfütterte sie mit Recherchen in der Umgebung und in Frankfurt und gestaltete daraus ein Familiendrama. Über drei Generationen rankt sich die Geschichte, in deren Zentrum auch ein Familiengeheimnis lauert.
Iris Otto schreibt:
Das Schöne am Schreiben ist die Vielfalt der Möglichkeiten. Und so hatte ich nach drei Krimis Lust, ein anderes Genre auszuprobieren. Beim Blick aus dem Fenster kam mir die Idee für einen Roman. In unmittelbarer Nähe wurde ein Einfamilienhaus abgerissen. Der Bagger arbeitete erschreckend schnell. Nach einer Woche war von dem Haus nichts mehr übrig außer einer leeren Baugrube. Meine Fantasie ging auf Reisen.
Die Zeit der Siedlungshäuser
Welche Hoffnungen und Träume haben Menschen, wenn sie ein Haus bauen? Zumal bei vielen Siedlungshäusern der 50er-Jahre die Eigentümer häufig selbst Hand anlegten, also eine starke Bindung zu dem Haus aufbauten. Welche Gründe kann es geben, ein Haus 50 Jahre später abzureißen? Diese Frage ließ mich nicht mehr los und die Idee zu dem Roman DAS ELTERNHAUS entstand.
Das Familiengeheimnis im Dachstübchen
Der Roman beschreibt das Leben dreier Generationen aus der Sicht von Andreas. Die Geschichte führt von seiner Kindheit zur Zeit des Wirtschaftswunders über den Mauerbau und die 68er-Jahre bis zum Jahrtausendwechsel. Aufgrund eines Familiengeheimnisses spielt die Trennung Deutschlands eine ebenso wichtige Rolle wie der Häuserkampf in Frankfurt. Daran nimmt Andreas persönlich teil – und anstelle dass er danach wie erhofft sein eigenes Kino eröffnen kann, muss er im Elektrobetrieb des Vaters eine Lehre machen. Aber er bleibt aufrecht, lernt seine große Liebe kennen und schöpft erneut Hoffnung: auf ein eigenes Kino, auf ein geglücktes Leben. So einfach ist es aber nicht …
DAS ELTERNHAUS ist in vier Teile gegliedert, analog zu den Etagen eines Hauses und den Lebensphasen von Andreas. Es beginnt im Keller, wo Andreas sich in seiner Kindheit oft versteckt. In der Jugendzeit ist sein Zimmer im Erdgeschoss ein Rückzugsort. Der 1. Stock steht für sein erwachsenes Leben und das Dachgeschoss gibt am Ende ein Familiengeheimnis preis, bevor der Bagger am Dachfirst ansetzt und das Haus abreißt.
Die Suche nach dem persönlichen Glück und der Umsetzung eigener Lebensziele verbindet uns Menschen über Generationen und Grenzen hinweg.
Iris Otto hat nicht nur eine persönliche Familiengeschichte, sondern auch eine Geschichte Deutschlands geschrieben: Von den 50er-Jahren bis zur Jahrtausendwende. Wie alle Familiengeschichten ist auch diese in einer Region beheimatet. Aber sie könnte überall im Westen Deutschlands spielen – und wirft einen Blick über die Mauer.
Ein Blick aus dem Fenster – Die Idee zum Roman
Die Inspiration kam der Autorin also durch eine reale Beobachtung. Ein Einfamilienhaus wurde abgerissen. Das Ereignis ließ sie nicht mehr los. Sofort tauchten Fragen auf: Welche Geschichten stecken hinter einem Haus? Warum wird es abgerissen? Welche Leben haben sich darin abgespielt? Genau hier beginnt der kreative Prozess:
- Beobachtung als Inspirationsquelle: Ein flüchtiger Moment wird zum Ausgangspunkt einer literarischen Geschichte.
- Was-wäre-wenn-Fragen als Katalysator: Die Autorin erkundet Vergangenheit und spinnt ein Netz aus Generationen, Träumen und Konflikten.
- Emotionales Potenzial der Idee: Die Thematik berührt universelle Erfahrungen – Familie, Veränderung, Träume, Verluste.
Von der Idee zur Struktur
Nicht jede Idee trägt einen ganzen Roman. Doch die Autorin hat ihr Konzept weiterentwickelt:
- Eine starke Symbolik: Die Gliederung des Romans spiegelt die Etagen eines Hauses wider – eine brillante Verbindung von Struktur und Inhalt.
- Forschungsarbeit als Fundament: Der örtliche Geschichtsverein half, das Alltagsleben der 50er- und 60er-Jahre lebendig werden zu lassen.
- Charakterentwicklung über Generationen: Die Geschichte folgt nicht nur einem Protagonisten, sondern beleuchtet, wie sich Werte und Lebensziele über Jahrzehnte verändern.
Dranbleiben und die Idee ausbauen
Wie bleibt man an einer Idee dran? Iris Otto ist Teil einer Autorinnengruppe (die sich bei schreibwerk berlin kennenlernte) – und erhält von den Kolleginnen im kreativen Austausch Feedback. Recherche gab der Idee einen realistischen Rahmen (dank der Unterstützung des Geschichtsvereins ihres Heimatortes), die Struktur des Romans – die Epochen und Etagen des Hauses – fingen wie ein Gefäß den Inhalt auf. Letztendlich gehört Disziplin zum Erfolg, genauso wie die Bereitschaft, einmal Geschriebenes zu verbessern.
Fazit
Das Beispiel zeigt, wie eine flüchtige Alltagsbeobachtung mit den richtigen Fragen, einer durchdachten Struktur und kontinuierlicher Arbeit zu einem tiefgründigen Roman werden kann. Gute Geschichten beginnen oft dort, wo man es am wenigsten erwartet.
Homepage Iris Otto: https://www.irisotto.de/das-elternhaus/