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Des Königs Großneffen – Allerwerteste Informationen

 Beleidigungen des Königs: Dieser Text von Ruth Golding entstand im Kurs Literarisches Schreiben; Schreibanlass aus der Zeitung (fait divers).
Deshalb hier ein Link zur Nachrichtenquelle. (Man fand in Spanien im Allerwertesten einer Jesusstatue Informationen aus dem Leben des 18. Jahrhunderts. )

Des Königs Großneffen – Allerwerteste Informationen

Königs

Ein eisiger Hauch

Joaquín Mínguez, Kaplan in der Kathedrale von Burgos, war äußerst nervös. Man schrieb den dritten Monat des Jahres 1777 und der neue Erzbischof würde in wenigen Wochen zu Ostern in der Diözese eintreffen, um seinen Antrittsbesuch zu absolvieren. Ein höchst konservativer Ruf eilte dem Bischof voraus, es hieß, ein eisiger Hauch aus der finsteren Gruft der Inquisition umhülle ihn und ergreife jeden in seiner Nähe mit Grabeskälte.

Totgeglaubte Kreise belebten sich

Die Verhältnisse in der Diözese änderten sich dramatisch, totgeglaubte Kreise belebten sich, fortschrittliche Geister knieten in den Kapellen, beteten Rosenkränze und besannen sich auf Studien zu lange vergessenen Heiligen oder machten sich auf, um dringende Aufgaben in der tiefsten Provinz Kastiliens zu verfolgen. Misstrauen breitete sich aus, Karrieristen im Abseits witterten neue Chancen und sammelten Material gegen die Inhaber begehrter Posten.

Joaquín selbst war bekannt für seine reformerischen Gedanken, seine gelehrten Kontakte zu Imamen und Rabbis und für sein engagiertes Eintreten für die Ärmsten der Stadt. Letzteres hatte ihn bei zwei der mächtigsten Adelsfamilien der Provinz unbeliebt gemacht, weil er öffentlich deren mangelnde Mildtätigkeit angeprangert hatte. Da war der Eifer mit ihm durchgegangen, als er zur Weihnachtszeit die dringend nötigen Mittel für das Hospital auftreiben wollte. Das Fleckfieber forderte diesen Winter viele Opfer, die Hinterbliebenen litten große Not, besonders die Kinder. Königs

Ausgerechnet den Großneffen des Königs …

Ausgerechnet den Großneffen des Königs war er besonders hart angegangen. Ob das reichte, um ihn anzuklagen? Majestätsbeleidigung war ein schweres Delikt, aber traf das auch auf spitze Bemerkungen über einen entfernten Verwandten des Königs zu? Und seine Briefwechsel mit Moses Mendelssohn, waren sie als Häresie zu werten? Er war doch nur ein kleiner Kaplan, wen sollte sein Schicksal schon interessieren? Oder war es ein höherer Wille, der da waltete? Königs

Sein Ehrgeiz, ein besonders gehorsamer und mildtätiger Diener Gottes zu sein, würde nun bestraft werden. Er war hochmütig gewesen, daran änderten die voller Angst und Demut gebeteten Rosenkränze jetzt auch nichts mehr. Er blickte auf und sah in die Augen des Apostels Jakobus, vor dessen Bildnis er seit Tagen kniete. Ein Sonnenstrahl fiel vor ihm auf die Stufen, ihm wurde unversehens leicht ums Herz. Ein Licht schien ihm voraus zu gehen, so klar zeichnete sich sein Weg vor ihm ab. Er bekreuzigte sich voller Dankbarkeit und machte sich auf zur Schreibstube. Fieberhaft beschrieb er mehrere Seiten, in denen er die Zustände in der Diözese akribisch darstellte. Königs

Sorgsam rollte er sein Dokument

Noch nie hatte er so klar gedacht und formuliert. Sorgsam rollte er sein Dokument ein und verbarg es unter seiner Kutte. Es war spät geworden und ein beißender Nordwind ließ ihn scharf einatmen, als er auf die dunkle Gasse trat. Eine Gruppe junger Mönche eilte schweigend an ihm vorbei. Er wandte sich in die andere Richtung zur Werkstatt des bekanntesten Heiligenschnitzers von Burgos, einem Verwandten seines Schwagers. Ein Gehilfe ölte noch das Werkzeug, als Joaquin durch die Tür trat. Er teilte dem jungen Mann mit, stille Zwiesprache mit der gerade fertiggestellten Jesusstatue halten zu wollen, die in einer Ecke der Werkstatt stand und darauf wartete, dem Erzbischof geschenkt zu werden.

Die Statue würde später der Diözese zur weiteren Verwendung überlassen werden, so war es üblich. Nur der kostbare Smaragdring, ein weiteres Geschenk für den hohen Besuch, würde in den persönlichen Besitz des Erzbischofs übergehen. Ein ketzerischer Gedanke über die Habgier des Würdenträgers durchzuckte seinen unruhigen Geist. Er bat still um Vergebung und versenkte sich in die Betrachtung der lebensgroßen Jesusfigur. Der Gekreuzigte hielt sein Haupt gesenkt, seinen ausgemergelten Körper kleidete nur ein zartblaues Tuch um die Hüften, ergebenes Leiden zeichnete das schmale Gesicht.

Gewissheit, dass Gottes Sohn jede Bürde …

Auch wenn es nur eine hohle Holzstatue war, ergriff ihn der Anblick Jesu zutiefst und er seufzte erleichtert, den Tränen nahe. Er spürte die Gewissheit, dass Gottes Sohn jede Bürde der Welt auf sich nahm, auch die seine annehmen würde. Die Jesusstatue hatte eine Öffnung an delikater und beinahe anatomisch korrekter Stelle, auch wenn solche Gedanken über Gottes Sohn schon wieder Blasphemie waren und er nun noch einen weiteren Grund hatte, demütig Buße zu tun.

In die besagte Öffnung auf der Rückseite der Statue steckte er seine eingerollten Schriften, die sich daraufhin mit einem zarten Rascheln in dem heiligen Podex öffneten. In welcher fernen Zukunft sie auch immer gefunden und gelesen werden würden, er hatte den ersten Teil seiner Buße getan. Er würde sich nun auf den Weg machen, umgehend in die kalte Nacht wandern und mit Gottes Hilfe bis an das Grab des heiligen Jakobus in Santiago de Compostela gelangen. Dies war der zweite Teil seiner Buße. Als drittes würde er sich in Porto Einschiffen und dem Weg seines Vetters, des Kunstmalers Julian Oñate, nach Peru folgen, wohin dieser vor vier Jahren mit seiner Frau ausgewandert war. In Lima angekommen, würde er als demütiger Diener des Herrn den Rest seiner Tage verbringen, so wie er es am frühen Morgen dem heiligen Jakobus gelobt hatte.

(Hinweis zum Titelbild: Francisco de Goya, Nachtszene der Inquisition, 1810)

 

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