Furcht- und Fruchtbar: Landschaften
Heute trauern wir mal – nicht nur um Helmut Kohl, sondern um unsere Landschaften (Teil 1). Dann werden wir wieder froh und gehen auf eine Reise (Teil 2), auch mit unserem Themen-Special “Schreib & Reise” (auf Nachfrage)
1. Landschaften
Wir haben gelernt, solche Landschaften wie die hier abgebildete pfälzische als “schön” anzusehen. Die Reben sind auf gleiche Höhe getrimmt, die Abstände zwischen ihnen sind identisch, damit die Erntemaschinen auch gut durchkommen, die Farbigkeit gibt eine Illusion von Harmonie, grün, so grün … und doch ist es eine durch und durch konstruierte und – Monsanto, BASF, Bayer et. al. sei Dank – fast insektenfreie Anordnung einstmals variationsreichen Wachstums mit Bäumen, Wiesen, (blühenden) Blümchen, Wildkräutern und einem bisschen Chaos. Die Wege sind so gerade wie die Gedanken, die sie uns erlauben. Armes Deutschland. Armes Deutschland?
Blühende Landschaften
Helmut Kohl, dessen ich hiermit gedenke (und mit einem Gruß an meine Mutter, der er immerhin das Schwimmen beibrachte), hat mit seinem Wunsch nach “blühenden Landschaften” idealistisch und romantisch zugleich versucht, zusammen zu bringen, was zusammen gehört – und wie so oft, sind Politiker auch nur Menschen. Und die sind sterblich. Jedenfalls hatte er eine Vision, die immerhin in der ostdeutschen Landschaft visionär eine blühende sah, denn diese ist, mit Verlaub, liebe Bayern, Pfälzer, Hessen und sonstwie die (eigene) regionale Landschaft liebenden Menschen: die einzige – bis vielleicht auf die Schwäbische Alb –, die tatsächlich noch so zu nennen ist. Dort im Osten gibt es noch: Wiesen, Insekten und braches Land, krumme Wege, die blaue Kornblume und Bäume, die einfach nur da stehen, weil sie Bäume sind.
Nutzflächen, Nutzdenken, Nutzmenschen
Im durchindustrialisierten Westen (ich pauschaliere jetzt ein bisschen) ist das sehr selten geworden. Die Wälder müssen Geld bringen und werden entsprechen raub-gebaut, jedes Fitzelchen Land muss Ertrag bringen, Ertrag und nochmal Ertrag. Doch wohin trägt uns dieses Nutzdenken über Nutzflächen und Nutzvieh und Nutz…menschen???? Wohin? Ich befürchte, in den Abgrund. In Deutschland gibt es bereits einen erheblichen Verlust natürlicher Arten, egal ob Pflanze oder Tier (Agrarreport des BfN 2017). Wann haben Sie zuletzt einen Feldhamster gesehen? Wie viele Schmetterlinge flattern gerade auf Ihre Terasse? Hören Sie Vögel von Ihrem Balkon aus? Wie lange werden wir Menschen diesen Raubbau durchhalten?
Ideale Landschaften?
Landschaft hat die Menschheit, die Kultur, unser Denken und das Sehen geprägt. Sie prägt uns weiterhin – gerade, geordnet, nutzbringend. Sie prägt auch immer die Literatur, in der Landschaftsbeschreibungen eine Beziehung zwischen Mensch und Natur, zwischen Denken und Verstehen, herstellen, z.B. in der Romantik, im Naturalismus und natürlich auch jetzt im “Anthropozän”. Landschaften können, z.B. als heroische, einen Idealraum darstellen, eine Fläche, in die wir unsere Fantasie und unsere Seele legen und die auch immer wieder symbolisch genutzt wurde. Vielleicht bleibt uns bald nur noch die Literatur, um “ideale Landschaften” zu ersinnen. Gerade blüht ja das “Nature Writing“.
So lange unser Denken aber noch nicht ganz verlernt hat, weitere Bögen zu ziehen, als uns die beherrschte Natur das lehren möchte, sollten wir über diesen Verlust an Lebens- und Kulturraum zumindest nachdenken dürfen. Helmut Kohl sei Dank.
2. Reise
Meist sind die Landschaften, die wir erleben, in Reisen eingebettet, die der Wanderer, die Zugreisende, der Tramper, die Fliegerin und der Pilger unternimmt. Auch und gerade das Reisen hat sich im Laufe der extremen Nutzflächenphilosophie ebenso geändert wie die Landschaften selbst. Was können wir, eingepfercht in den Billigflieger, ausgespuckt auf Ferienparadiese, die wie Fabriken geführt werden, überhaupt noch erleben? Romantik? Landschaft? Sonnenuntergänge? Wildwasserrafting, Drachenfliegen und/oder die große Liebe?
Wir haben eine kurze Schreibreise – die Sie bequem von zuhause aus unternehmen können – organisiert, die kleine Erzählungen über das Reisen zum Ergebnis haben wird. Dabei spielen Beschreibungen von Landschaften und Menschen ebenso eine Rolle wie die modernen Abenteuer, die trotz allem noch möglich sind. Egal, ob es sich um eine Fern- oder eine Nahreise handelt.
Wir versprechen Ihnen keine Traumreise, aber Abenteuer Ihrer Fantasie und neue Erlebnisse. Wenn Sie diesen Zug besteigen möchten, haben Sie die erste Hürde schon überwunden, indem Sie bis zu dieser Stelle gelesen haben.
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