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Frei sein - Karussell

Die Freiheit des Schreibens

Ein seltsam Ding

Es ist ein seltsam Ding mit der Freiheit des Schreibens: Viele wollen Romane und Erzählungen schreiben, weil sie sich dadurch frei fühlen und weil das (kreative) Schreiben eine der letzten Bastionen des individuellen Ausdrucks eines Menschen ist. Der nigerianische Autor Peter Kimani formuliert das recht drastisch: “Literatur”, so sagt er, sei “in der heutigen Welt womöglich als einziger Freiraum übrig” geblieben.

Die Freiheit des Schreibens – und ihre Grenzen

Wie schön: wir haben unseren Freiraum gefunden, wir schwelgen in den eigenen Ideen, dem eigenen Stil, den Geschichten und damit entwickeln wir unsere Persönlichkeit!
Aber ach, sind wir auf der Seite der AutorInnen angelangt, müssen wir spätestens bei der Anfrage bei Agenturen und Verlagen feststellen, dass auch das Schreiben – vor allem wenn der Markt mit reinspielt – stark normiert ist. Diese Normen entstehen durch Verkaufszahlen.

Was sich einmal verkauft …

Was sich einmal verkauft, gilt bald als Vorbild für die nächsten tausend – zwangsweise ähnlichen – Romane. Das beginnt beim den imitierten Titeln eines Erfolges wie “Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg…” und geht beim Aufbau der Erzählung weiter:

Ein/e möglichst liebenswerte/r, aber verschrobene/r HeldIn mit vielen Bedürfnissen ist gezwungen, aus der ihn/sie unglücklich machenden, aber bequemen Situation auszusteigen, Abenteuer mit den Mitmenschen zu erleben – gerne von Hunden oder wahlweise Homosexuellen oder Übergewichtigen assistiert – um letztlich Glück in der Gemeinschaft zu finden – oder wahlweise den Tod. Am Ende (oder kurz davor) jedenfalls hat die Heldin oder der Held unglaublich viel gelernt: dass es besser ist, freundlich zu den Nachbarn zu sein, dass Unterschiede im Erziehungs- oder Kleidungsstil Freundschaften durchaus ermöglichen, dass man mit einem Lächeln mehr erreicht, als wenn man immer nur griesgrämig in der  (nord- oder süddeutschen) Heimat auf dem abgeschafften Traktor sitzt.

Spreu vom Weizen

Bei „Genre-Literatur“ wie Krimis können wir gut mit einem erwartbaren Plot leben, Gemeinplätze sind sogar notwendig. Vor allem die Beschreibungen – von Personen, Orten, der Handlung – trennen hierbei die Spreu vom Weizen trennen. Die Krimis von Fred Vargas zählen dabei durchaus zum Weizen.

Verheerend ist dieser Trend aber bei der anspruchsvolleren Literatur. Da befindet sich Dörte Hansen mit ihrem wunderbaren Schreibstil neben einem Jan Steinbach (alias Stefan Holtkötter) – und glücklich die Leser, die Dörte Hansen schätzen lernen und die feinen Nuancen schmecken, die sie uns in ihrer zurückhaltend-norddeutschen Art anbietet.

Abgründe der jeweiligen Zeit

Manche AutorInnen nutzen wie Dörte Hansen schon mal ihre individuelle Freiheit, um andere, neue Geschichten zu erzählen. Manche verströmen dabei aber erstaunlich oft Krokodilstränen über das schlimme Schicksal der Ich-Erzählerinnen (z.B.  Szusza Bank mit ‚Schlafen können wir später’ oder Anke Stelling mit ‘Schäfchen im Trockenen’). Autorinnen allerdings wie Virginie Despentes mit „Vernon Subutex“ oder Elena Ferrante wagen erfolgreich das Unterfangen, die Abgründe der jeweiligen Zeit mit einer lesenswerten Geschichte zu verbinden. Und dabei Neues zu schaffen. Auf deutschen Bücherlisten muss man danach lange suchen.

Saskia Luka “Tag für Tag”

Der Markt greift sehr stark ein in unsere persönlichen Freiräume – nur wenig deutsche Verlage entziehen sich diesem Zwang. Zu nennen wären „Kein & Aber“, der im September den sehr lesenswerten Roman von Saskia Luka „Tag für Tag“ veröffentlichte, oder der Eichborn-Verlag, der die „Gewitterschwimmerin“ von Franziska Hauser ins Programm nahm, ein Roman u.a. über Missbrauch und eine unangepasste Familie der DDR-Hierarchie. Es gibt sie also, die guten Bücher, man muss sie nur finden.

AutorInnen von heute benötigen nicht nur die Lust, individuelle Freiräume auszuloten, sondern auch Haltung. Wir müssen wieder lernen, die Freiheit des Schreibens zu verteidigen.

Wir helfen Ihnen dabei. In unseren Online-Kursen und in Potsdam und auf Kreta.

 

Gerne können Sie einen Online-Kurs 7 Tage lang unverbindlich testen. 

 

Foto: Hanne Landbeck

 

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