Die Heldenreise, was ist das?
Heldenreise, das ist ein Ausdruck, dem wir immer wieder begegnen. Aber was genau ist das denn?
Wenn wir Geschichten schreiben, nutzen wir „Held*innen“. Das sind Protagonisten, Frauen und Männer oder alle möglichen Varianten dazwischen. Zaubergestalten, Helden wie Harry Potter mit außergewöhnlichen Fähigkeiten oder Heldinnen wie Emma Bovary mit Schwächen. Diese Held*innen gehen „auf die Reise“ – und das in jeder Geschichte. Das können veritable Reisen sein wie die von „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf oder wie Lena, genannt „Entenarsch“ in „Nach vorn, nach Süden“ von Sarah Jäger. Sie können auch, wie Ulysses von James Joyce, einfach vor die Haustür gehen und durch die Stadt wandern. Auch das ist eine „Reise“ im Sinne des Konzepts.
Dieses haben Joseph Campell, Christopher Vogler in Nachfolge Vladimir Propp, der die Struktur des Zaubermärchens entdeckte, für Filmskripte aufgearbeitet. Die “Heldenreise” ist eine Metapher dafür, dass sich die Hauptfigur ändert, auf Widerstände stößt auf dem Weg zu einem Ziel, das schwer zu erreichen ist.
Vielleicht haben Sie die Biopic über Udo Lindenberg gesehen? Die Widerstände, der Vaterkonflikt, die eigene Angst: das sind die Hauptthemen des Films.
Ja, dieser erste, alles entscheidende Auftritt in der Laeiszhalle Hamburg 1973 war mir gaaanz besonders wichtig. Lampenfieber-Horror. Dann mit 15 Doppelkorn im Kopf gut breit erst mal die Showtreppe runterknallen, voll auf die Fresse. Dann fliegt mir das Mikrofon hinterher, direkt vor die Schnauze, direkt auf Einsatz von «Andrea Doria» and: a star is born. Das is’ Hammer. Sturzbesoffen und die Leute dachten: Wow, was für ‘ne geile Choreografie.
sagt Udo Lindenberg im “Blick” . Je individueller, umso eindrücklicher, das ist eine Lehre für alle Geschichtenerzähler*innen und Held*innen.
schreibwerk berlin bietet im Kurs Kreatives Schreiben eine etwas vereinfachte, dafür funktionierende Formel an, die wie folgt aussieht:
Die Stationen der Heldenreise – vereinfacht und praktikabel
Die alltägliche Welt aus Ausgangspunkt für die Heldenreise:
Die Ausgangssituation: der Held/die Heldin in ihrer alltäglichen Welt.
Handlungsauslöser für die Heldenreise
Dann gibt es einen Handlungsauslöser. Das ist ein Problem, das von außen oder von innen kommen kann. Zum Beispiel ein Wunsch, der so stark ist, dass Ihre Hauptfigur bereit ist, die Situation zu ändern. Oder aber, sie ändern muss, weil von außen Dinge geschehen. Zum Beispiel eine Entführung oder Ähnliches, die den/die Proatgonist*in in eine andere Situation bringt. Achten Sie darauf, dass das Problem / der Wunsch stark genug ist, um als MOTOR der Geschichte zu fungieren.
Konflikt und Wandlung während der Heldenreise
Die Protagonistin, der Protagonist macht während Ihrer Erzählung eine Wandlung durch. Sie kann sich von der Analphabetin zur Literatin verändern, er kann sich von einem gewissenlosen Vorgesetzten in einen mitfühlenden Menschen ändern, sie können sich von einem gedankenlos nebeneinanderher lebenden Paar zu neuer Gemeinsamkeit wandeln oder sich trennen … Egal, welches Thema Sie bearbeiten und welchen Konflikt, achten Sie darauf, dass Sie von Beginn an einer Veränderung in Ihren Figuren, vor allem der Hauptfigur, mit bedenken.
Die Suche nach der Lösung
ist die folgende Station. Wenn Ihre Heldin entführt wurde, wird sie Befreiung ersehnen. Oderseinen Arbeitsplatz verloren hat, wird er einen neuen suchen. Falls Ihr Held ein Kind ist und von zuhause weggelaufen ist, wird es irgendwo Geborgenheit und Liebe suchen …
Hindernisse während der Heldenreise
So einfach ist es aber nicht, Ihre Geschichte wird den Weg nicht gerade abgehen können. Jetzt müssen Hindernisse erscheinen, vielleicht ausgelöst durch den Gegenspieler (wenn der Geliebte dachte, er habe seine Angebetete davon überzeugt, sich scheiden zu lassen, wird sich vielleicht der Ehemann wütend geben, die Frau einschließen und er selbst mit dem Schlüssel nach Amerika fliegen). Diese Hindernisse sollten überraschend kommen und eine so genannte Peripetie, also einen Umschlag in der Geschichte bewirken.
Entscheidung
Nun muss der Held/die Heldin eine Entscheidung treffen, von der das Ende der Geschichte abhängt. Trifft sie die falsche Entscheidung, wird sie den Geliebten womöglich nie mehr sehen. Trifft sie die richtige, steuern wir auf ein Happy End zu. Wenn sie die eingeschlossene Geliebte ist, entscheidet sie sich womöglich, aus dem Fenster im fünften Stock zu springen. Dabei kann sie sterben, oder aber sich umdrehen und neuen Mut geschöpft haben. Vielleicht ruft sie auch einfach nach Hilfe oder sie findet ein (aufgeladenes) Handy, das die Lösung bietet
Der Höhepunkt der Heldenreise
Noch ist es aber nicht so weit. Wieder gelangen wir an einen Umschlag, der der Höhepunkt der Geschichte ist, in dem sich die Auswirkungen der Entscheidung zeigen. Vielleicht hat der eifersüchtige Geliebte den Ehemann umgebracht, was dazu führt, dass die ihn bisher Liebende sich nun von ihm abkehrt? Vielleicht hat die Analphabetin doch nicht so gut nachgeholt, was sie bisher versäumt hatte, dass der Führerschein, den sie so sehr begehrt, nun durch die vermasselte Prüfung wieder in weite Ferne gerückt ist und ihr gesamter bisheriger Betrug auffliegt?
Nun folgt das Ende
Nicht die Moral aus der Geschichte, aber eine Endsituation, die anders ist als die des Beginns. Manche Geschichten können sich auch vollkommen im Innenleben der Figuren abspielen, aber selbst dieses kann sich ja ständig ändern und die Zustände können von einer gefühlten Liebe zur Welt und allen Menschen in Hass umschlagen und danach in eine ausgewählte Liebe zu bestimmten Menschen.
Oder wenn eine Geschichte nach außen gerichtet ist, kann, wie bei Siegfried, der Schatz der Nibelungen so nah vor den eigenen Augen stehen, dass er das auf ihn gerichtete Schwert nicht erkennt und er am Ende tot darniederliegt.
Egal, ob Sie ein Happy oder ein unhappy End für Ihre Geschichte vorsehen, nutzen Sie dieses Muster für einen tragbaren Plot Ihrer Story.
Auch anwendbar für alle anderen Storys, zum Beispiel Ihre Unternehmensgeschichte,