Der Kleefisch – eine Short Story zur Kunst (von Maria Unger)
Fisch beschäftigt viele Menschen. Manche machen daraus Kunst, wie Paul Klee – oder Maria Unger. Dieser Text entstand in dem Themen-Special KunstGeschichten 2 – und es handelt sich um Satire (dies nur vorweg)
Maria Unger lebt in Bayern und schreibt hinreißende Geschichten – vor allem zur Kunst. Die Kurse KunstGeschichten gibt es auf Nachfrage.
Rede des Vorsitzenden des Vereins der Nordseefischer
Werte Kollegen!
Als Obmann der Helgoländer Hochseefischer begrüße ich Sie herzlich zu unserer Jahrestagung der Nordseefischer. Besonders begrüße ich die Sponsoren dieser Jahrestagung und unseres Begleithefts „Der Fisch – gestern, heute und morgen“, Herrn Dr. Jakobsen und Herrn Lührsen von der Firma Eglo Fresh Fish.
Weil Sie das Titelbild unseres Begleithefts vielleicht etwas verwundert – im letzten Jahr zierte die Fotografie einer Makrele das Deckblatt, im vorletzten Jahr das Steinbuttgemälde unseres bekannten Heimatmalers Ole Olensen – , bedarf es einiger Erklärung.
Paul Klee: Der goldene Fisch
Durch den Erwerb des Bilds „Der goldene Fisch“ beabsichtigt die Vorstandschaft von Eglo Fresh Fish den Grundstein zu legen für eine Gemäldesammlung „Der Fisch in der bildenden Kunst“ und so den grünen Aktivisten das Wasser abzugraben. Es geht hier, wie Dr. h.c. Jakobsen formuliert, „um die kulturpolitische Aufwertung des Nordseefischs“. Ich zitiere weiter: „Paul Klees Goldener Fisch enthebt den Fisch seiner materiellen Fischigkeit und transponiert sie in die filigrane Aura eines transzendenten Fisch-Seins.“
Das, werte Kollegen, sind die Worte von Dr. Jakobsen. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Als Obmann obliegt es mir jedoch, die Brücke zu schlagen zwischen diesem Bild und dem Thema unserer Tagung.
Ich gestehe, ich kenne Herrn Klee nicht persönlich, habe aber den Eindruck, dass er keiner aus unseren Reihen ist, auch kein Maler, der sich mit Fisch und Meer gründlich auseinandergesetzt hat. Das merkt man am Bild nur zu deutlich.
Liebe Kollegen, wir kennen die verschwommene Art, in der sich Politiker ausdrücken: Sie sagen „Wir müssen den Gürtel enger schnallen“ und meinen, dass die Makrelenpreise fallen – und mit ihnen unser Einkommen. So ist es auch mit diesem Bild: Es ist nicht genau, es ist nicht konkret. Ich frage mich: Was soll es konkret bedeuten?
Der Fisch als Symbol der Vergangenheit
Ich sage mal so: „Der goldene Fisch“, der uns hier entgegenleuchtet, ist ein Symbol für die Vergangenheit, in der wir Nordseefischer mit dem Fisch noch gutes Geld verdienen konnten: Das waren goldene Zeiten! Doch was ist aus diesem Goldfisch geworden? Schmal ist er geworden, sein Schuppenbild ist unregelmäßig, die Flossen an Rücken und Bauch sind zerfasert, haben eine Rottönung wie auch die zum Steuern kaum noch brauchbare Schwanzflosse. Wir Fischer halten uns nicht lange mit Symbolen auf, wir sind Praktiker und fragen uns: Wie kann man diesen Fisch fangen? Kann man ihn verkaufen? Fangen könnte man ihn vielleicht, denn die neue Generation von Fischernetzen ist so engmaschig, dass ihr nichts entkommt, verkaufen kann man ihn sicher nicht, zumindest nicht an die Hamburger Öko-Kundschaft, die ganz sicher im Leuchten des Fischs ein Zeichen der (Ver-) Strahlung sieht. Vielleicht findet er seine letzte Bestimmung bei Eglo Fresh Fish.
Die Flunder: der unbekannte Fisch
Wie gesagt, ich kenne den Maler nicht, aber vielleicht ist es ein Grüner, denn die meisten Fische scheinen vor dem strahlenden Gelbfisch zu fliehen, sie schwimmen zum Bildrand. Überwiegend handelt es sich dabei um rote Flundern. Als Fischer weiß ich, dass Flundern nicht rot sind, aber als Helgoländer weiß ich, wer in der Kieler Regierung die Mehrheit hat: die roten Flundern! Ist es grünes Wunschdenken, die „roten Flundern“ zu vertreiben? Will da ein Grüner künftig mit den Schwarzen paktieren? Ist das Bild seine Zukunftsvision?
Meereswellen und Pflanzenteile
Eigentlich ist ja das ganze Bild schwarz, schwärzer als die Tiefsee. Das wird der Maler wohl auch selbst bemerkt haben und er hat seine Konsequenzen daraus gezogen. Wie wir Fischer den Kunden brauchen, der unsere Fische kauft, braucht auch ein Maler Kunden, die das Bild kaufen. Deshalb hat er die Zwischenräume zwischen dem Gelbfisch und den Fischflüchtlingen mit hellblauem Gekritzel ausgefüllt, das an Meereswellen erinnert oder an Pflanzenteile. Da wirkt das Ganze nicht so pessimistisch. Aber Rot, Blau, Gelb machen das Bild so optimistisch, dass man den schwarzen Hintergrund vergisst.
In diesem Sinn, Kameraden, können wir in diesem Bild einen Aufruf für die Zukunft allgemein und unsere Tagung im Besonderen sehen: Blickt optimistisch in die Zukunft, auch wenn vieles schwarz aussieht!
Ich danke für Eure Aufmerksamkeit.