Das Glück des Schreibens – von Gaby Höckner
Das Glück des Schreibens
Das Glück des Schreibens ist ein Text von Gaby Höckner, den sie zu unserem Wettbewerb eingereicht hat. Sie hat gewonnen! Herzlichen Glückwunsch.
Strandgut – das ist ein Bild von Alexandra Weidmann, die sich bei der Einsendung auf unseren Newsletter “Die Badewanne …” bezog. Wir danken den beiden Frauen sehr.
Das Glück des Schreibens – von Gaby Höckner
Mein Innen ist ein weites Land – es ist nicht einfach anzukommen.
Anfangs auch nicht mit dem Schreiben. Glück
Zum Schreibmenschen bin ich vor zirka fünfzehn Jahren geworden. Gesehnt danach habe ich mich schon früher. Gesehnt habe ich mich nach vielem, ohne genau zu wissen, was es ist. Wenn ich so in meiner Geschichte krame, dann finde ich auch dreißig Jahre alte Textfragmente und fünfzig Jahre alte Tagebücher. Das Dranbleiben habe ich nicht durchgehalten neben den familiären und beruflichen Notwendigkeiten und Entwicklungen, die das Leben so mit sich bringt.
Erst als die Kinder draußen waren, war ich bereit zu dem Entschluss, jeden meiner Tage mit Morgenseiten zu starten. Damit habe ich auch begonnen, zumindest an der Oberfläche in einer kleinen Bucht im weiten Land meines Innen zu kratzen und damit den Kontakt herzustellen zwischen mir und dieser unbekannten inneren Weite.
Erinnerungen tauchten auf. Ich habe gelernt, Ereignisse der Vergangenheit neu zu sehen, zu beschreiben und zu begreifen. Ich habe Schreibprojekte begonnen und das eine oder andere sogar abgeschlossen. Glück
Ich habe gelernt, dass es nicht nur leicht und schön ist, ein Buchprojekt zu gebären und in der Öffentlichkeit dazu zu stehen. Zu persönlich ist das Werk geraten. Nahe Menschen verletzen oder deren große Wunden aus der Vergangenheit aufreißen – das wollte ich sicher nicht. Aber wer sagt denn, dass das Ziel immer ein fertiges Buch sein muss?
Ich kann nicht anders, als schreibend meine Seele zu offenbaren. Es muss ja niemand lesen. Ich erkannte, dass es mein mir allein eigener Heilungsprozess ist, den ich schreibend in Gang setze und dass ich überhaupt nichts veröffentlichen muss.
Ich nehme an Schreibseminaren teil und meine Schreibtrainerinnen-Ausbildung hat mir den Weg frei gemacht, selbst Schreibgruppen zu organisieren und durchzuführen. Auch andere mit ihrem weiten Land im Innen in Kontakt bringen, heißt die Devise. Menschen mit sich selbst in Resonanz bringen – und damit auch meinen Resonanzraum vergrößern.
Schreibend unterwegs sein, heißt mein Motto. Im Außen das Privileg genießend, meine Lieblingstätigkeit überall auf dieser Welt ausführen zu können und mich vorzutasten in meinem inneren weiten Land. Über die Jahre weiß ich, dass mit dem Schreiben etwas Wunderbares geschieht.
Wo ich früher eine tiefe Sehnsucht und eine Traurigkeit spürte, fühle ich jetzt Übereinstimmung, Klarheit, Leuchten und Klingen. Schreibend habe ich mittlerweile manche wunderlichen Orte des weiten Landes in meinem Inneren erkundet, während ich unterwegs war im Außen in schönen Gegenden oder unter Menschen oder in der immer langen To-Do-Liste meines äußeren Lebens.
Schreibend fühle ich mich angekommen im äußeren Leben und im Innen.
Schreibend habe ich gelernt, wahrzunehmen, was ich brauche und mir im Außen und im Innen das zu geben, was mir ein Bedürfnis ist. Schmackhafte Nahrung, Geselligkeit oder Ruhe, eine Aufgabe, die ich erfülle, ein Beitrag, den ich leiste. Und – jeden Tag schaffe ich mir Zeitfenster fürs Schreiben.
Würde ich einen Tag lang nicht schreiben, würde mich eine innere Unruhe erfassen, eine Sehnsucht durchdringen, die nicht zulassen würde, in Ruhe irgendetwas zu genießen, was die Welt mir so bietet. Solange, bis ich zu Stift und Papier komme. Solange, bis ich diesem inneren Drängen nachgebe, mich hinsetze und niederschreibe, was aus mir herausfließen will, ohne sonst irgendetwas zu wollen, außer zu fließen.
Mein Innen ist ein weites Land – es ist nicht einfach anzukommen.
Mein Schreiben trägt dazu bei, das weite Land in meinem Inneren auf friedvolle Weise zu erobern.
Mein Schreiben ist zu meinem einfachen Glück geworden.